Teezeit
Die Welt um mich herum
Die Welt steht still!
Ich war gerade dabei, die Wäsche zusammenzulegen, die mittlerweile getrocknet am Wäscheständer hing. Meine Gedanken, die mich weit fort trugen, begleiteten das Zusammenfalten der einzelnen Kleidungsstücke. Von Heute auf Morgen hatte sich alles um mich herum verändert. Kein Flugzeug durchstreift den Himmel und die meisten Autos stehen wie Zeitzeugen in den Straßen und auf den Parkflächen. Die großen Kreuzfahrtschiffe bleiben fern der Meere und das Reisen bleibt beschränkt auf den heimischen Garten. Ein freundliches Händeschütteln, eine Umarmung oder die ersten warmen Strahlen der Frühlingssonne im Biergarten zu genießen, sind nicht mehr möglich. Selbst die Nähe zu meiner Enkeltochter wird überschattet von der derzeitigen Situation, die nicht nur das Leben in Deutschland verändert hat. Ruhe kehrt ein in den Straßen und Gassen und vielleicht auch in die Herzen der Menschen. Ruhe und Stille ersetzen die Rastlosigkeit und das Schnelllebige unserer Zeit. Wie eingefroren wirkt das sonst so hektische Treiben das unser Leben bestimmte. So harre auch ich aus, bleibe in meiner Wohnung und vermeide den Kontakt mit meinen Mitmenschen. Ein winzig kleines „Lebewesen“ hält die ganze Welt in Atem und weist uns scheinbar in unsere Schranken. In seiner Begleitung ist die Angst, die Sorge zu erkranken, zu sterben oder das zu verlieren was uns allen immer so selbstverständlich war.
Meine Wäsche ist mittlerweile im Schrank verschwunden, nur meine Gedanken finden keinen Platz an dem sie zur Ruhe kommen. Mein Weg hat mich nun in die Küche geführt. Mein Blick fällt aus dem Fenster. Die Sonne scheint auf den Forsythienbusch, dessen gelbe Blüten wieder den Frühling begrüßen. Eine vertraute Wiederkehr doch das friedliche Bild täuscht. Meine Gedanken werden überschüttet mit Szenarien und Bildern aus dem Internet und Fernsehen. Der Schatten, den die weltweite Pandemie auf unser Leben wirft, ist allgegenwärtig. Mich graut es vor dem nächsten Einkauf, hoffe das das Pflegepersonal es schafft, den Virus von meiner schwerstbehinderten Tochter fernzuhalten und das mein Sohn sich nicht auf der Arbeitsstelle infiziert. Diese Vielfalt von Gedanken, Fragen und Ungewissheiten überschwemmen mich. Ich erinnere mich an eine Geschichte, die mein Vater schrieb und so komme mir vor, wie der Schiffsjunge, der sich in der kleinen Seilkammer des Schiffes verschanzte und vor Angst wie erstarrt war. Ausgeliefert dem Sturm und dem Zorn der Wellen, die den kleinen Logger zum Spielball der Naturgewalten machten.Doch in seiner Not fand er auch Hoffnung, die ihn von da an in seinem Leben begleiteten.
So versuche auch ich meine Gedanken zu sortieren und greife auf das zurück, was schon meine Großmutter mich lehrte. Ich nehme mir die grüne Blechdose aus dem Schrank und beginne mir einen Tee zuzubereiten. Der Messlöffel schiebt sich durch die getrockneten, schwarzen Blätter, die schon in dem Behälter aus Metall auf ihren Einsatz warten. Die einzelnen Handgriffe, die Teil der ostfriesischen Teekultur sind, lenken meine Gedanken zurück auf mein Tun. Der Tee ist fertig und in dem Moment, als der Kandis unter der heißen Flüssigkeit zerspringt, kehrt auch die Ruhe in mir zurück.
Als ich so beobachte, wie das Wölkchen aus Sahne langsam an der Oberfläche des heißen Tees erscheint, durchfließen vertraute Worte meine Gedanken. Mir ist, als würde die warme Stimme meiner Mutter mir zuflüstern: „Die Not macht erfinderisch!“ Auch in ihr war die Hoffnung verankert, das man jede Herausforderung im Leben meistern kann. Manchmal muss man neue Wege gehen oder sich auf alt bewährtes zurück besinnen. So fing ich an, in mich hinein zu schauen, wie ich mit dieser neuen Zeit umgehen möchte.