En Oostfrees vertellt- eine Ostfriesin erzählt- An East Frisian tells

Im Wandel der Jahreszeiten
Winterzeit

Im Schein der Kerzen

Mir ist kalt und so drehe ich ein wenig am Thermostaten der Heizung. Schon nach wenigen Minuten ist der Raum erfüllt mit wohliger Wärme. Mein Blick fällt auf den kleinen Weihnachtsbaum, der neben meinem Schreibtisch steht. Immer habe ich getönt, das kein Plastikbaum am Heiligabend bei mir in der Wohnstube steht. Nun ja, die Zeit schreibt ihre eigenen Geschichten.

Während ich den kleinen Kunststoffgesellen anschaue, im Hintergrund die alten Weihnachtslieder von der Schallplatte erklingen, nehme ich eine kleine Schachtel und öffne sie. Wie eine Kostbarkeit, schäle ich dann den kleinen Schatz aus dem Papier, welches ihn schützend umgibt.


So wie damals, als ich ein kleines Kind war und gemeinsam mit der Familie den Weihnachtsbaum schmückte, so liegt die zerbrechliche Kugel wieder in meiner Hand. Ihr Glanz scheint vergangen. Der künstliche Schnee, der sie zierte und mich immer an weiße Kokosflocken erinnerte, ist nur noch zu erahnen. Als ich sie behutsam an den Baum hänge begleiten mich die Worte meines Vaters. Sein Blick fiel damals auf die kleine Christbaumkugel in meiner Kinderhand. Sie erschien mir damals nicht schön genug um sie an den Baum zu hängen, denn sie glitzerte nicht wie die anderen. Für einen Moment war es, als würden die Gedanken meines Vater zurück reisen in eine vergangene Zeit und ihn mit Bildern verbinden, die nur er in seinem Herzen sehen konnte.

Dann begann er zu erzählen!

Es waren die ersten Weihnachten nach Kriegsende. In jeder Stube oder Küche stand wohl ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum, aber das Licht, dass gerade an Weihnachten von so großer Bedeutung ist, fehlte meistens. In den Kriegstagen durfte kein Schimmer nach draußen fallen und obwohl kein Verbot mehr bestand, drang weiterhin nur wenig Licht aus den Häusern. Die Fenster waren fast ganz mit Brettern vernagelt, denn die meißten Fensterscheiben waren bei dem Beschuss entzwei gegangen. Glas aus einigen Bilderrahmen ersetzten ein paar dieser Scheiben um ein wenig Helligkeit in die Wohnungen hineinzulassen. Durch diese Stückchen aus Glas sah man in der Dunkelheit den Schein der flackernden Kerzen in den Häusern, wenn diese für kurze Zeit am Weihnachtsbaum brannten.

Sie gaben den bunten Glaskugeln einen magischen Glanz wenn der warme Schein sie berührte. Doch mit den Lichtquellen aus Wachs musste man sparsam haushalten, damit sie reichten um wenigsten die Weihnachtsabende zu erleuchten. So saß man die meiste Zeit umgeben von Dunkelheit und Kälte, denn auch das Heizmaterial war knapp in diesen schweren Zeiten. An solchen Abenden war die Finsternis nicht nur um die Menschen herum, auch in sich fühlten sie Betrübtheit, denn sie sahen sich einer unsicheren Zukunft entgegen.

Doch im Schein der Kerzen, die sich in dem Glanz der bunten Glaskugeln wiederspiegelten, wuchs die Zuversicht und Hoffnung!“

(Erzählung nach den Lebenserinnerungen meines Vaters Eilerich Bloem)


Diese kleine Kugel schmückte schon den Weihnachtsbaum, als mein Vater ein Kind war. Es war eine Zeit voller Entbehrungen und Ängste, denn niemand wußte, was die neue Zunkunft bringen würde. Den Menschen blieb nur die Hoffnung und die Liebe im gemeinsamen Miteinander. So soll sie auch an meinem Weihnachtsbaum hängen, als ein Symbol der Dankbarkeit und Zuversicht!

Ich wünsche allen ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest!

zurück