En Oostfrees vertellt- eine Ostfriesin erzählt- An East Frisian tells

und "Indioners"

Wenn fremde Kulturen das Herz berühren

"Leinen Los"

 Meine Finger schoben sich langsam über die Tastatur meines Laptops. Die ersten Buchstaben erschienen in der Leiste der Suchmaschine. Als stünde ich vor einem großen Abenteuer, verfolgte mein Blick, wie sich die einzelnen Letter digital zusammenfügten. Da stand es nun, das Wort „Indianer“ und während mein Zeigefinger über die Entertaste schwebte, spürte ich eine Art von leichter Aufgeregtheit. Dann sauste mein Finger herab und mein Forschungsschiff legte ab. Es verließ den Hafen der Unwissenheit und begab sich auf die erste Reise, in die Welt der Menschen, die wir „Indianer“ nennen.So groß und weit sich der Ozean erstreckt, gefüllt mit dem Lebenselixier Wasser, lag nun dieses Meer an Informationen vor mir. Ich hatte weder Kompass, noch Seekarte und so steuerte ich mein Schifflein hilflos durch die tosende, virtuelle See.

Die nächsten Wochen verbrachte ich damit, meine Gedankenwelt mit neuen Erkenntnissen anzureichern. Ich füllte meine kleine Bibliothek mit dem Wissen von indigener Symbolik, spirituellen Wegen und geschichtlichen Hintergründen. Menschen hatten hier  zusammengetragen, was aus den indigenen Nationen bekannt und Wissenswert erschien. In Foren wurde über die kulturellen Belange diskutiert und in anregenden Gesprächen konnte man das Gelernte in Austausch bringen. Der Hauch von Westernromantik, der in einigen Bereichen mitschwang, verfestigte auch mein Bild, das ich bereits in  mir trug.
Wieder stellte ich mir die Frage, ob dieses Bild wirklich der Realität entsprach und wo sind die Stimmen der Native Americans?

So navigierte ich mein kleines Forschungsschiff tiefer hinein in diese fremde Welt, auf der Suche nach den Stimmen, die mit diesen Kulturen verwurzelt sind. Dabei entdeckte ich ein Video und bereits der Titel bekundete, das es hier um indigene Menschen geht, die ihr Leben auf einer Reservation verbringen. So drückte ich auf „play“ und Bilder eines weiten Landes zeigten sich mir, über den sich gerade der Winter gelegt hatte. Die Kälte, die sich über das karge Land gelegt hatte, war förmlich zu spüren. Die Bilder, die mich dann erreichten, machten mich jedoch sprachlos. „Das habe ich nicht gewusst!“ und dieser Satz hämmerte sich in mein Herz.

Ich habe auch lange überlegt, ob ich dieses Video hier einstelle, doch weil es nicht direkt von dieser Nation veröffentlicht wurde, verzichte ich an dieser Stelle darauf.
So versuche ich Worte zu finden, die diese Armut und den Schmerz dieser Menschen gerecht wird, doch die gibt es nicht!
Und so frage ich:
- Was würde mit mir geschehen, wenn man mir mein Heimatland nimmt, mit denen bereits
meine Vorfahren verbunden waren?
- Was würde mit mir geschehen, wenn versucht wird, mir meine kulturellen Verbindungen zu
nehmen?
- Was würde mit mir geschehen, wenn ich meine Muttersprache nicht mehr sprechen darf?
- Was würde mit mir geschehen, wenn ich in die Augen meines Kindes schaue und keine
Antwort geben kann, weil ich es selber nicht verstehe?
- Was würde mit mir geschehen, wenn ich nicht mehr sein darf, wer ich bin?

Der letzte Satz hat in mir eine fremde Lautlosigkeit geformt. Fast gedankenlos geht mein Blick zum Himmel. An diesem Morgen schieben sich die Wolken wie eine zähe Masse über das Dach der Welt. Wie Nebel hat es sich über den sonst endlosen Blick gelegt und selbst die Sonnen hat Mühe, ihre Strahlen auf die Erde zu schicken. Milchig ist ihre Schönheit hinter dem grauen Meer zu erkennen. Zurück bleibt ein heller Fleck und das Licht lugt nur noch an wenigen Stellen hervor. Doch an dieser Stelle im Universum, wo ihr Platz seit Anbeginn der Zeit besteht, lässt es sich nicht verdrängen. Sie ist da!
Auch wenn ihre Kraft gebändigt scheint und das Grau sich gänzlich zwischen Himmel und Erde schieben will, sie ist da!

Mit dieser Gewissheit, kehrt meine Aufmerksamkeit zurück in meinem gewohnten Lebensraum. Es nimmt das Bild der kleinen Teekanne, mit dem zarten, floralen Muster, dessen Blau sich auf dem weißen Porzellan widerspiegelt in sich auf.  Das Licht, das den Tee sonst mit der nötigen Wärme versorgt ist erloschen. Ein Lied kehrt in mir zurück, das den gesehenen Beitrag begleitet hatte. Gespeichert auf meinem Handy erklingt es noch einmal und durchbricht sanft die Stille um mich herum. Worte aus einer Sprache, dessen Bedeutung mir fremd sind, erreichen abermals mein Herz und meine Seele. Ein Lied reist durch die Lautlosigkeit und sie ist, wie die Sonne an diesem Morgen. Sie sind hier!


So hole ich den Anker ein, der mich sicher mit der Liegestelle verband. Ich steuere mein Schiff auf eine neue Reise, begleitet wird sie nun von der mir fremden Melodie!