En Oostfrees vertellt- eine Ostfriesin erzählt- An East Frisian tells

Im Wandel der Jahreszeiten

 Winterzeit  

Nikolaus du guter Mann

Der Adventskalender ist aufgehängt und versüßt meinen Enkelkindern die Vorweihnachtszeit.Viele bunte Briefumschläge hängen dicht an dicht und in jedem verbirgt sich ein neues Geheimnis. Mal ist es ein gemeinsamer Spieleabend, ein Taschenlampenspaziergang oder wir backen gemeinsam Plätzchen. Vierundzwanzig kleine Abenteuer sollen die Wartezeit bis Heiligabend verkürzen. Heute am 5. Dezember steht etwas besonderes auf der Karte in dem gelben Umschlag: „Wir stellen einen Teller auf!“
Mit der gleichen Vorfreude wie ich damals als Kind, legen nun sie das Brot und die Kekse auf den Teller. Beide wirken plötzlich etwas nachdenklich und entschließen sich, vorsichtshalber noch ein Bild für den Nikolaus zu malen. Ich muss schmunzeln und lausche ihrem Gespräch, dass sie Wohl nicht immer so brav gewesen sind, wie von ihnen erwünscht wurde. Sie versprechen sich, nicht mehr so viel zu streiten und während sie mit den bunten Stiften ihre kleinen Kunstwerke kreieren zieht es meine Gedanken zurück in meine Kinderzeit.


Spuren im Schnee

"Ich hatte den ganzen Nachmittag draußen im Schnee gespielt. Jetzt saß ich schön eingemummelt  mit der Wärmflasche auf dem Sofa und wartete, bis das Abendbrot fertig war. Doch während sonst diese Zeit, an dem der Tag ausklingt, vom gemeinsamen Austausch begleitet wurde, war es an diesem Abend sehr ruhig am Tisch. Jeder schien sich auf sich zu besinnen und so umgab uns eine angenehme Stille.

Es war der Abend vor Nikolaus und so kreisten meine Gedanken um den heiligen Mann und seinen Begleiter Knecht Ruprecht. Ein wenig Sorge mischte sich in die Vorfreude und ich überlegte,ob ich auch brav genug gewesen war, denn nur die guten Kinder wurden vom Nikolaus beschenkt. Für die Anderen, die ungehorsam waren und den Eltern nicht folgten legte Knecht Ruprecht eine Rute auf den Teller.

Nach dem gemeinsamen Essen saß ich noch eine Weile am Küchenfenster und schaute gedankenversunken hinaus. Die Dunkelheit hatte nun alles in ihr schwarzes Licht getaucht. Der Mond schaute als helle Sichel auf die Erde nieder, umgeben von funkelnden Sternen die noch bis in der Endlosigkeit zu erkennen waren.

Vor Müdigkeit konnte ich meine Augen kaum noch offen halten, doch bevor es ins Bett ging, wollte ich noch meinen Teller aufstellen und hoffte, das Nikolaus ihn mit Leckereien auffüllte. Aus dem Küchenschrank holten mein Bruder und ich uns einen Essteller. Ein Grünkohlblatt, ein paar Stücke Würfelzucker, und auch die Plätzchen, die wir am Vortag gemeinsam mit meiner Mutter gebacken hatten, legten wir auf unseren Teller. Der Kohl, das Brot und der Würfelzucker waren für den Schimmel vom Nikolaus; die Kekse für den heiligen Mann und  Knecht Ruprecht. Mit dem Teller in der Hand gingen wir dann in die Stube und stellten ihn auf die Fensterbank. Jetzt konnten wir nur warten und hofften das der Nikolaus sich über die Gaben freute und wir am nächsten Tag keine Rute vorfanden.


.Am nächsten Morgen wurde ich von meinem Bruder geweckt. Er war ganz aufgeregt und rüttelte an mir herum.Ich sollte schnell aufstehen um zu schauen, ob der Nikolaus dagewesen ist.Lange bitten brauchte er mich nicht, denn auch ich war neugierig und so gingen wir gemeinsam ganz leise zur Zimmertür.Lautlos schlichen wir zum Treppenabsatz und dann weiter die Stufen hinunter.Wir hörten die Stimmen meiner Eltern aus der Küche. Mit einem „Moin“ traten wir ein und kletterten auf die Eckbank. Dort war schon alles für unser Frühstück vorbereitet. Ich versuchte mir die Aufregung nicht anmerken zu lassen, denn ein Gefühl von Vorfreude und Unbehagen beherrschte meine Gedanken. Meine Mutter lächelte und erlöste uns aus dieser Situation  und meinte wir sollten doch ins Wohnzimmer gehen. Wie kleine Wildpferde stürmten wir von der Bank, durch die Küche in die Stube.

Keine Rute! Die Erleichterung war uns förmlich anzumerken und die Anspannung wich der Freude. Unsere Teller waren gefüllt mit Schokolade, Mandarinen, Nüssen und Plätzchen und über dem Ganzen wachte ein großer Stutenkerl.  In seinem Rosinenmund steckte eine weiße Pfeife und als ich  den Mann aus süßen Brot vorsichtig von der Fensterbank nahm, sah ich draußen die Spuren im Schnee. Zwischen den Fußstapfen, inmitten der kalten Kristalle, entdeckte ich die Abdrücke eines Pferdes. Nur ein Hufeisen konnte diese Bilder in den Schnee zaubern. Jetzt war ich mir sicher das es den Nikolaus wirklich gab und ein Glücksgefühl breitete sich in mir aus.

Mein Vater und meine Mutter schauten sich an und es schien mir, als würden sie ein Geheimnis teilen.

 


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