Winterzeit
Von Neujahrskuchen und Speckendicken!
Vor mir liegt ein Kochbuch. Eine kleine Widmung begrüßt mich, als ich es öffne. "In Erinnerung an Weihnachten 1983!" deine Eltern. Vorsichtig blättere ich die Seiten um. Rezepte aus meinem Heimatland wurden hier zusammengefasst und festgehalten. Jetzt zum Jahreswechsel suche ich zwei traditionelle Gerichte heraus, die typisch für Ostfriesland sind und nur in dieser Zeit zubereitet werden.
So bin ich kurz vor der Jahreswende in meiner Küche und backe Neujahrskuchen. Meine Aufgabe ist es im heißen Dampf des Waffeleisens zu sitzen und zu warten, bis sich aus dem Teigklecks eine runde Waffel gebildet hat. Sobald sie durch gebacken ist, muss es schnell gehen. Nur für wenige Sekunden lässt sich das Gebäck bearbeiten und zu einer Rolle formen. Mit einem Messer löse ich den Fladen vom heißen Eisen, werfe ihn dann neben mir auf den Tisch und beginne sofort ihn aufzurollen. Eine etwas schmerzliche Angelegenheit, denn die Hitze des Waffeleisens steckt noch in dem Kuchenkreis. Während der Schmerz noch durch meine Fingerkuppen zieht, erzähle ich meinem Enkelkind, die alles genau beobachtet, von der Zeit, wo ich mit meiner Mutter in der Küche saß und auch Neujahrskuchen gedreht haben.
Während ich erzähle und sich unser Gespräch vertieft, reibe ich das heiße Eisen mit einem Stück fetten Speck ein, bevor der nächste Teigklecks die Mitte bedeckt. Beim Schließen des Waffeleisens wird es dann in seine runde Form gezwungen. Wieder entweicht der heiße Dampf, in dem sich der Duft von Zimt und Anis mischt. Während uns die duftige Wolke für einen Moment einhüllt, schnappt sich meine Enkeltochter den ersten Neujahrskuchen. Genüsslich knabbert sie an der Leckerei.
Als ich sie dabei so anschaue werden Erinnerungen in mir wach. Ich sehe mich, wie ich als Kind auch immer den ersten Neujahrskuchen gegessen habe. Ich spüre in mir die Ruhe, die meine Mutter immer ausstrahlte und beginne innerlich zu lächeln. Ihr war diese Tradition ebenfalls sehr wichtig und die schöne und innige Atmosphäre, die beim gemeinsamen backen entstand, sind mit den Bildern dieser Zeit verbunden. Selbst Gerüche, Gefühle und die Nähe sind darin verschmolzen und halten diese Erinnerung wach.
So möchte ich an dieser Tradtion, die mich seid meiner Kindheit begleitet, festhalten und das Neue Jahr mit frisch gebackenen Neujahrskuchen und Speckendicken begrüßen.
Wie bei den Neujahrskuchen, wird auch der Teig für die Speckendicken einen Tag vorher angerührt. Er braucht Zeit um zu Ruhen, bevor die Siruppfannkuchen in der Pfanne gebraten werden können. Belegt mit Mettwurst und Speck sind sie zudem eine gute Trinkunterlage um die Silvesternacht gut zu überstehen. So gehören sie für mich zu einer Tradition meiner Heimat, die ich auch hier in Bayern fortführe. Anfangs war ich dabei noch auf „Kehrpakete“ aus Ostfriesland angewiesen, aber mittlerweile habe ich meine Quelle aufgetan, um die benötigten Zutaten zu erhalten.
Ein paar Stunden stehe ich dann am Silvestertag am Herd und brate die Leckerei aus meiner Heimat. Auch für meinen Sohn würde etwas fehlen, wenn kein Teller mit frischen Speckendicken auf dem Tisch stehen würde.
Für mich ist es wie mit dem Tee trinken. Diese Traditionen sind für mich Verbindungstücke in eine vergangene Zeit aber in eine Welt in der es sich hin und wieder zu reisen lohnt.
In diesem Sinne wünsche ich allen einen guten Rutsch ins Neue Jahr!