Van Wattlüü un Indioners
En Oostfrees vertellt- eine Ostfriesin erzählt- An East Frisian tells


Reisen zwischen Zeit und Raum

Wo der Seewind zuhause ist

„Mein Ostfriesland, meine Heimat,
wo die hohen Deiche sind,
ist die Heimat meiner Ahnen,
ich bin ein Ostfriesenkind.“

Ich höre noch die Stimme meine meiner Großmutter und sehe sie vor mir, wie sie voller Liebe und Leidenschaft dieses Lied gesungen hat. Während sie durch den Hausflur lief,  ihre bunte Kittelschürze dabei zuknöpfte, umgab ein Lächeln ihr Gesicht. Es wirkte auf mich, als fühle sie die Worte und dessen Melodie tief in sich und sie wurde eins mit diesem Lied. 

Es weht immer ein leichter Wind über die Felder und Wiesen von Ostfriesland. Schwarzbunte Kühe grasen bedächtig auf den Weiden, während es sich die Schafe auf den Deichen gut gehen lassen. Flüsse schieben sich durch das flache Land und folgen den Gezeiten. Sie sind umsäumt von den Deichen, die das Land vor Überflutungen schützen sollen. Ihr Ziel ist die Nordsee. Wenn das Wasser sich jedoch der Natur beugt und sich zurückzieht, zeigt sie ein neues Gesicht. Für ein paar Stunden verstummen die Wellen und geben das Watt frei, das 2009 zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

Bei gutem Wetter kann man vom Festland aus, die Inseln erkennen, die per Fähren oder mit erfahrenen Wattführerwanderungen erreicht werden können. Früher fuhren hier die Logger vorbei, hinaus auf die offene See und prägten das Leben an der Küste. Die Zeit der großen Heringsfänger ist vorbei. Nur die kleinen Krabbenkutter erzählen noch die Geschichten vom Leben auf dem Meer. Sie fahren auch heute noch hinaus, um mit der fangfrischen Ladung, in den kleinen Fischerdörfern vor Anker zu gehen.

Im Landesinneren zieren Backstein,- und Fehnhäuser die Dörfer und Städte. Windmühlen und kleine Kirchen prägen das Landschaftsbild. Auf dem "Fehn" sind die Wohngebiete mit Kanälen durchzogen, die wir "Wieken" nennen und vereinzelte Moorgebiete, zeugen noch heute von der Tradition des Torfstechens. 

Mein ganzes Leben habe ich hier in Ostfriesland verbracht, doch erst, als ich 2016 meine Heimat verlassen hatte, wurde mir bewusst, wie sehr ich mit dem Land, den Menschen und Traditionen verbunden bin. Manchmal lernt man erst etwas zu schätzen, wenn es aus der Selbstverständlichkeit entschwindet. Das Heimweh rief mich zurück an die Küste, wo bereits meine Großeltern und Urgroßeltern ihr Leben verbrachten. Jetzt möchte ich es in seiner ganzen Schönheit und Vielfältigkeit neu  entdecken und kennenlernen!

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